Entdecken Sie Dorstens Geschichte hautnah – auf den Stadtführungen der Stadtagentur Dorsten.
Der Dorstener Stadtluft mischt sich der Hauch von Kohlenstaub mit Geschichten, Erinnerungen und der Energie vergangener Kämpfe. Wer Dorsten in seiner vollen Tiefe erfahren möchte, sollte sich auf eine der Stadtführungen der Stadtagentur Dorsten begeben. Ob Kunst im öffentlichen Raum, der Wandel der Stadt oder die düsteren Kapitel des Zweiten Weltkriegs, vergangene Kämpfe, feministische Bewegungen oder den spannenden Anekdoten der Hansezeit – die Themen sind vielfältig. Wir stellen drei Geschichten schonmal vorab ins Rampenlicht Dorstens Geschichte ist wie ein lebendiges Puzzle, in dem jede Ecke ihre eigene Geschichte erzählt. Ob mutige Frauen, widerständige Künstlerinnen oder das jüdische Leben in der Stadt – hier wird Geschichte greifbar, nahbar, spürbar. Also: Welche Tour darf’s sein?
Dorstens starke Frauen
Dass die Geschichte oft männlich geschrieben wurde, ist nichts Neues. Vera Konieczka findet: Zeit für ein Update. In ihrem frauengeschichtlichen Stadtrundgang geht’s es um die Personen, die oft vergessen werden – zum Beispiel die Dorstener Heldinnen von 1588. Als feindliche Truppen vor den Toren standen, war die Lage brenzlig. Und die Männer? Die waren entweder in den Wirren der Kriege anderweitig beschäftigt oder – und das ist die offizielle Version – mit strategischen Überlegungen befasst. Mit einer Mischung aus Mut, Wut und wahrscheinlich einer gewissen Genervtheit verteidigten sie ihre Stadt, mit allem, was gerade greifbar war. Ein wuchtiges Arsenal aus Mistgabeln, Steinen, Fäkalien und Mistgabeln. Der Lohn? Ein eigener Feiertag! Der Streitfeiertag wurde fast 200 Jahre lang gefeiert, dann verschwand er in den Nebeln der Geschichte. Vera Konieczka hat sich vorgenommen, ihn wieder ans Licht zu holen. Ihr Rundgang zeigt, dass Frauen nicht nur Randnotizen der Geschichte sind, sondern oft diejenigen, die sie überhaupt erst geschrieben haben.
Dorstens berühmte Persönlichkeiten
Adelig geboren, Kunstbegabung im Blut, Zukunft auf Samtkissen – Tisa von der Schulenburg hätte es bequem haben können. Hätte. Stattdessen verbrachte sie ihre goldenen Zwanziger so, wie sich das gehört: temperamentvoll, neugierig und kreativ, mitten in den deutschen Roaring Twenties. Ihre Entourage? Albert Einstein, Bertolt Brecht, Thomas Mann – der intellektuelle Olymp. Sie feierte, sie diskutierte, sie lebte. Und dann kamen die Nazis, und Tisa sah genau hin. Also ließ sie den feinen Zirkel hinter sich, zog durch Arbeiterquartiere, zeichnete das Elend und wurde unbequem. Sie war Antifaschistin, Künstlerin, Chronistin – immer in Bewegung. Ihr Weg führte sie von Einstein zu Graf Blumenthal und schließlich ins Kloster, wo aus der kämpferischen Tisa Schwester Paula wurde. Emanzipation gegen Eminenz? Oder beides zugleich? Ihr Vermächtnis: Kunst, die spricht, und eine Stadt, die sie nicht vergisst. Wer mehr über diese facettenreiche Frau erfahren will, kann dies im Tisa-Archiv oder bei speziellen Rundgängen mit Petra Eißing tun. Oder er folgt Rolf Steinwede auf den Spuren von Tisa mitten hinein in eine Geschichte, die alles andere als verstaubt ist. Neben klassischen Promis, wie Cornelia Funke oder Frank Rosin, sind es vor allem Dorstener Familiendynastien, wie die de Weldige Cremers, die vom 15. Jahrhundert bis 1958 das Stadtgeschehen prägten und zahlreiche Bürgermeister stellten, oder die Familie Rive, deren Stiftungen bis heute wirken, haben ihre Spuren hinterlassen.
Jüdisches Leben in Dorsten
Die Wiesenstraße, heute eine gewöhnliche Seiten- straße, gesäumt von Corsas, Twingos und zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern, war im 19. Jahrhundert der „place to be“ für die jüdische Gemeinschaft in Dorsten. Hier, wo früher Handwerk und Geschäfte florierten, fanden die jüdischen Familien nicht nur ein Zuhause, sondern auch die Möglichkeit, ihre Identität zu leben und die Stadt aktiv zu prägen. In einem Wohnhaus in der Wiesenstraße wurde die erste Synagoge der Dorstener Gemeinde eingerichtet. Es fand eine enge bürgerliche Integration der jüdischen Dorstener in die Stadtgesellschaft statt. Es gab hier und da Konflikte, einzelne antisemitische Vorfälle, doch die wahre Katastrophe begann mit der Nazi-Herrschaft. Die Zerstörung der Synagoge, die „Judenhäuser“ und die Deportationen hinterließen tiefe Narben. Und so endet die Geschichte des jüdischen Lebens in Dorsten: Am 23. Januar 1942 wurden die letzten jüdischen Dorstener, wie die Familie Metzger, nach Riga deportiert und ermordet. Heute erinnert die Wiesenstraße an eine Zeit, in der diese Straßen lebendig waren – ein Stück vergessene Geschichte, das nicht nur an das Ende, sondern auch an das blühende Leben erinnert. Barbara Seppi führt mit einem Blick für die vielen Facetten, die in den stillen Ecken der Wiesenstraße auf uns warten, durch diese Geschichten.